Geschichte und Kultur
Tibet liegt auf einem subtropischen Breitengrad wie das Mittelmeer, die Landschaft besteht aus Steppengebieten, schneebedeckten Achttausendern und ausgedehnten Waldgebieten mit
Bambushainen. Es gibt ein besiedeltes Hochplateau, das von 3600 auf 5200m ansteigt. Die Schneegrenze liegt bei 6200 Metern. Tibet hat eine vielfältige Flora und Fauna: das wichtigste Tier ist das
Yak, es ist Lieferant für Fleisch , Milch, Käse und Butter, außerdem für Wolle, Felle für Kleidung und Zelte, es liefert Dung als Brennmaterial und wird als Reit- und Zugtier genutzt. Für die
Landwirtschaft ist das Yak unentbehrlich.
Tibet bestand aus den Provinzen "Ngari" und "Tsang" (Zentrum Shigatse, zweitgrößte Stadt Tibets) im Westen (meist Hochgebirgssteppe), "Ü" (Zentrum Lhasa)
und "Kham" und "Amdo" im Osten (fruchtbare Täler). Im Tsangpotal im Zentrum herrschen im Sommer etwa 20 °C, im Winter –3 °C.
Die Besiedlung Tibets begann vor circa 50 000 Jahren in der Altsteinzeit über Amdo. In den nachfolgenden Jahrhunderten liefen Kontakte zu den Mongolen und Chinesen über Amdo ab. Die
Tibeter lebten als Nomaden, ein Hirtenvolk ohne festen Wohnsitz. Erste Siedlungen entstanden meist in der Umgebung von Klöstern. Da die Landwirtschaft nur begrenzte Erträge einbrachte, konnte die
Siedlungen nicht sehr groß sein, und so hatte selbst Lhasa noch 1950 nur 30 000 Einwohner.
Der erste König Tibets soll 127 v.Chr. Nyatri Trenpo gewesen sein. Er gehörte zu den Himmelskönigen, die direkt vom Himmel gekommen sein sollen. Das war die Yarlung-Dynastie. Nach der
Ermordung des 8. "Himmelskönigs" gab es allerdings keine Himmelskönige mehr. Die nachfolgenden wurden Religionskönige genannt. Einer der wichtigsten Herrscher war der 33. König Songtsen
Gampo (Herrscher von 620-649). Er führte den tibetischen Kalender ein, sowie Maß- und Gewichtseinheiten und Schrift, er baute eine Infrastruktur auf, gründete die neue Hauptstadt Lhasa, und
führte den Buddhismus durch Hochzeit mit 2 Buddhistinnen ein. Die beiden Prinzessinen waren Bhrikuti aus Nepal und Wen Cheng aus China. Auf diese Weise ebnete er den Weg zur Großmachtpolitik für
seine Nachfolger. Bis in das 8. Jahrhundert hinein eroberten sie Teile Nepals, Indiens (Westteil Kaschmirs, Bihar, Bengalen) und Turkestans (bis Usbekistan), die Besetzung war allerdings nie
dauerhaft. Im Jahre 763 eroberten sie Changan, die Hauptstadt Chinas (heute Xian). Diese konnte sie allerdings nur 15 Tage halten. Seine größte Ausdehnung hatte Tibet um 800 nach Christus. Die
letzten Feldzüge fanden unter König Trisong Detsen (Herrscher von 755-797) statt. Er verbreitete den Buddhismus, der bis dahin nur in engerer Umgebung des Hofes angenommen war, und rief den
bedeutendsten indischen Missionar Padmasambhava nach Tibet. 779 erhob er den Buddhismus zur Staatsreligion. Als 842 der letzte (41.)König Langdarma von einem buddhistischen Mönch ermordet wurde,
weil dieser den Buddhismus bekämpft hatte, zerfiel das Reich in viele sich gegenseitig bekämpfende Fürstentümer. Eine neue Verbreitung der Lehre Buddhas ging vom westlichen Königreich Guge aus.
Dort rief man den Gelehrten Atisha, der den Kadampa-Orden gründete sowie Klöster im ganzen Land errichtete. 1207 unterwarf Dschingis Khan Tibet. Sie verbanden allerdings eher freundschaftliche
Beziehungen. Die Mongolen hatten zwar die Macht, aber die Tibeter hatten einen starken Einfluß auf sie durch ihre Kultur und Religion. So schlossen sie 1260 einen Pakt. Nachdem die Sitten in den
Klöstern immer mehr verfielen, reformierte Tsongkhapa ("der Mann aus dem Zwiebeltal") den religiösen Bereich und beeinflußte so entscheidend die politische Entwicklung. 1409 gründete er
die Gelugpa, die "Schule der Tugendhaften" sowie die drei Klöster Ganden (1409, in der Blütezeit ca. 10.000 Mönche), Drepung (1416) und Sera (1419). Sie werden "die 3 Säulen des
buddhistischen Staates" genannt und waren bedeutende Zentren der wissenschaftlichen Forschung und Ausbildung. Gedün Drubpa (1391-1475), Abt von Drepung, der Neffe und Lieblingsschüler von
Tsongkhapa, wurde der erste Dalai Lama. Das bedeutet soviel wie "Ozean des Wissens". Der Dalai Lama ist eine Inkarnation des Chenrezi , des Bodhisattvas der Barmherzigkeit. Diesen Titel
erhielt erst der 3. Dalai Lama, die anderen erhielten diesen Titel nachträglich. Der "Große Fünfte" erhielt dann mit 25 Jahren von Gusri Khan die religiöse und weltliche Macht über
Tibet. Er ordnete 1634 den Bau eines Winterpalastes an: der Potala (420 m lang, 170 m hoch) besitzt über 1000 Räume. Er gründete auch das Staatsorakel von Nechung.
Der erste Europäer, der Österreicher Johann Grueber, kam erst 1661 nach Lhasa. 1717 eroberten die Dsungaren Lhasa, terrorisierten die Bevölkerung, plünderten und brandschatzten Tempel,
Klöster und Paläste, selbst den Potala. In ihrer Not riefen die Mongolen die Chinesen zu Hilfe, diese zogen sich nach dem Sieg aber nicht wieder zurück sondern setzten Ambane ein, die die
Interessen des Hofs in Peking wahrnehmen, d.h. Tibet kontrollieren sollten. Diese wurden 1894 von den Tibetern entmachtet. Bei der Machtübernahme des 13. Dalai Lamas ruhte die innenpolitische
Macht auf 3 Stützen: den Klöstern, dem Adel und dem Dalai Lama. Fast die gesamte agraische Nutzfläche gehörte dem Adel und den Klöstern und es gab Leibeigenschaft, trotzdem war dies aber kein
Feudalsystem, da die Macht durch das Zölibat ja nicht vererbbar war. Stattdessen konnten (und mußten) aus allen Ständen Kinder in die Klöster und hatten somit die Chance "hoch zu
kommen". Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es so fast 500.000 Mönche und Nonnen in Tibet. 1904 erreichte ein englisches militärisches Expeditionskorps Lhasa, der Dalai Lama flüchtete in
die Mongolei, dann nach Peking, von wo er 1909 zurückkehrte, aber ein Jahr später mußte er wieder ins Exil, diesmal, weil die Chinesen einfielen. Von dort kehrte er 1913 zurück und erklärte
Tibet als unabhängiges Land. Der 13. Dalai Lama (1876-1933) schottete Tibet von der Außenwelt ab und nahm viele innenpolitische Reformen vor. Zum Beispiel richtete er eine "englische
Schule" ein, schaffte die Todesstrafe ab, richtete Post- und Telegraphendienste ein. Allerdings versäumte er es die Souveränität völkerrechtlich verbindlich abzusichern und internationale
Verbündete zu suchen.
Vor dem Buddhismus gab es in Tibet eine Naturreligion, die Bön-Lehre. Noch heute leitet sich der Eigenname Tibets daraus ab: Tibet heißt im tibetischen "Böd", die Bewohner
Bödpa. ("Tibet" ist eine westliche Bezeichnung.) Der indische Missionar Padmasambhava brachte den tantrischen Buddhismus, ein Zweig des Mahayana-Buddhismus, nach Tibet, und integrierte
dabei die Bön-Lehre. Um 770 legte er den Grundstein zum ältesten buddhistischen Kloster "Samye". Die buddhistische Lehre stammt aus dem 6. Jahrhundert vor Christus von Prinz Siddharta
Gautama und kam ursprünglich ohne einen Gott und höhere Mächte aus. Dafür gab es das Nirvana, das Überwinden jeglicher Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte. Etwa 500 Jahre nach der Gründung
des Buddhismus spaltete sich die Religionsgemeinschaft in Theravada (oder Hinayana, Kleines Fahrzeug), das den Anhängern den individuellen Weg zur Erleuchtung weisen wollte, und in Mahayana (Großes
Fahrzeug), das die Erleuchtung für alle Lebewesen will. In Tibet herrscht der mahayanische Zweig vor. Dadurch, daß die Menschen immer Vorbilder brauchen entstanden Gottheiten, wie im Mahayana
die Bodhisattvas, die dort eine große Rolle spielen. Das sind Lebewesen, die kurz vor der Erleuchtung stehen, aber darauf verzichten um auch den übrigen Menschen den Weg dorthin zu zeigen, und erst
wenn alle Menschen es geschafft haben gehen auch sie dorthin. Auch die Reinkarnation spielt eine wichtige Rolle, so ist der Dalai Lama die Wiedergeburt von Chenrezi, des Bodhisattvas der
Barmherzigkeit. Der Buddhismus zeichnet sich im allgemeinen durch große Toleranz aus, er verzichtet auf aggressive Missionierung und es herrscht das Prinzip der Gleichheit aller Menschen. Der
Kern der Lehre Buddhas sind die "4 edlen Wahrheiten":
1) Leben bedeutet Leiden 2) Leiden resultiert aus menschlischen Eigenschaften wie Haß, Gier Neid oder Unwissenheit 3) der Mensch kann sich selbst vom Leid befreien
4) der Weg zur Befreiung vom Leid ist der Eingang ins Nirvana
In Tibet gibt es eine gut entwickelte Heilkunst. Das Standardwerk aus dem 8. Jahrhundert zeigt die Diagnostizierung und Behandlungsmöglichkeit von über 84 000 Krankheiten mit über
2000 Mixturen. Ehen wurden festgelegt, nicht selten gab es Polygynie und Polyandrie. Das hatte den Vorteil, daß es keine Aufsplitterung des Familienbesitzes gab, wenn beide Brüder eine Frau
heirateten, und damit gab es eine Art Geburtenkontrolle in diesem kargen Land, das nicht allzu viele Menschen ernähren kann. Im allgemeinen war die Stellung der Frau sehr gut, sie hatte durchaus
Rechte. Da die Tibeter ihre Toten meist nicht in der Erde bestatten konnten, da diese zumeist ja gefroren war, entwicklten sie ganz eigene Bestattungsriten: bei Tagesanbruch wird der 3-5 Tage
alte Tote an einen bestimmten Ort gebracht, dort wurde er von einem Leichenzerstückler zerschnitten und den Geiern zum Fraß überlassen. Hohe religiöse Würdenträger oder reiche Tibeter bekamen
eine Feuerbestattung, arme Leute wie Bettler eine Wasserbestattung, wobei der zerstückelte Leichnam dem Fluß übergeben wird. In die Erde kamen nur Menschen mit ansteckenden Krankheiten und
Verbrecher. Das gilt in Tibet als Schande, da der Körper dort weit weg vom Himmel ist.
|
Nach dem Einfall der Chinesen 1950
Geistiges und weltliches Oberhaupt in Tibet war der Dalai Lama. Der 14. Dalai Lama wurde am 6.7.1935 als Lhamo Thondup geboren. Als er als Inkarnation wiedererkannt wurde erhielt er
einen neuen Namen, Jamphel Ngawang Lobsang Yeche Tenzin Gyatso. Normalerweise übernimmt der Dalai Lama erst mit 18 Jahren die weltlichen Geschäfte, wegen dem Einmarsch der Chinesen in Tibet im
Oktober 1950 wurde er aber schon mit 15 Jahren eingesetzt. Er setzte die Reformbemühungen seines Vorgängers fort und gründete zu diesem Zweck eine Reformkommission, die die Pläne in die Praxis
umsetzen sollte. So befreite er zum Beispiel die Bauern aus der Schuldknechtschaft. Die chinesische Volksbefreiungsarmee erreichte am 9. September 1951 Lhasa. Tibet wandte sich an die UNO und an
verschiedene Länder, aber niemand stand Tibet bei. So wurden sie im Mai 1951 gezwungen, das sogenannte "17-Punkte-Abkommen" zu unterschreiben. Dieses beinhaltete zum Beispiel
"religiöse Glaubensfreiheit" und daß die "Lamaklöster geschützt" werden sowie "das bestehende politische System in Tibet unverändert" bleibt. Keiner der 17 Punkte
wurde eingehalten.
Viele Tibeter flüchteten in den indischen Bundesstaat Kaschmir, da dort ein Volk, Ladakh, mit tibetischer Kultur, existiert. Dieses Gebiet wird heute "Klein Tibet" genannt.
Nach einem Volksaufstand gegen die Chinesen im März 1959 floh auch der Dalai Lama nach Indien. Zum Glück, denn nur wenige Tage danach wurde der Norbulingka, der Sommerpalast des Dalai Lama, in dem
er sich vorher aufgehalten hatte, bombardiert. Zwischen 1959 und 1976 gingen die Chinesen brutal gegen alles Tibetische vor. 1,2 Millionen Tibeter wurden getötet, weitere Tausende ohne Grund zum
Teil für Jahrzehnte in Arbeitslager gesteckt und gefoltert, die Frauen sterilisiert oder die Kinder während der Geburt getötet, von den über 6000 Klöstern blieben nur 8 unzerstört,
Kunstschätze wurden vernichtet, eingeschmolzen oder verkauft, Tempel und uralte Steingebäude, teilweise über 2000 Jahre alt, zerstört, heilige Tiere wie der Schwarzhalskranich wurden ausgerottet,
die Religion verboten, Mönche und Nonnen wurden gezwungen miteinander zu schlafen, ... Außerdem wurde die Natur zerstört: die Chinesen begannen rücksichtslos mit dem Abbau von Rohstoffen und der
Abholzung der Waldflächen, woraus große Überschwemmungen resultierten, und es gab seit Hunderten von Jahren zum ersten Mal eine Hungersnot in Tibet, da alle Nahrungsmittel der Armee zur Verfügung
gestellt werden mußten. Dann begannen die Chinesen mit der Sinisierung: Chinesen bekamen Umsiedlungszuschüsse, wenn sie nach Tibet zogen, eine neue Wohnung, verschiedene Vergünstigungen, einen
Arbeitsplatz und dreifaches Gehalt.
So gingen Zehntausende von Arbeitsplätzen, die vorher Tibeter innehatten an Chinesen über. In allen tibetischen Städten sind die Tibeter in der Minderheit. Tibetische Gebäude werden
abgerissen und neue chinesische gebaut. So sind in Lhasa heute weniger als 2 Prozent der Gebäude tibetisch. In ganz Tibet werden Stützpunkte und Waffenlager eingerichtet und die Anzahl der Soldaten
ständig erhöht. Außerdem wird radioaktiver Atommüll einfach in die Landschaft geschmissen. Namen von Städten und Klöstern werden geändert, und sogar der Name des gesamten Landes um auch
wirklich alles Tibetische zu vernichten!
Seit 1965 ist Tibet offiziell autonomes Gebiet im Südwesten Chinas mit dem Namen Xizang, das ursprüngliche Gebiet von Tibet wurde aber vorher halbiert, die nicht zur autonomen Region
gehörenden Teile wurden anderen Gebieten Chinas angegliedert. Bis 1979 schotteten die Chinesen Tibet völlig von der Umwelt ab. Erst seit Mitte der 80er Jahre gibt es dort Tourismus. Durch die bis
heute stattfindende Assimilierung (Angleichung) gibt es immer noch starke Behinderungen. Der Dalai Lama gründete eine Exilregierung mit Hauptsitz in Dharamsala (http://www.tibet.com) in Indien und bemüht sich seit Jahren um eine friedliche Lösung für sein Land. 1963 verkündete er eine provisorische Verfassung, die demokratische und
soziale Errungenschaften mit buddhistischen Prinzipien vereint.
Die Chinesen sagen, daß Tibet zu ihnen gehört und geben dafür solche "Begründungen" wie, daß einige tibetische Könige vor vielen hunderten Jahren chinesische Prinzessinen
geheiratet hätten, und daß Tibet schon einmal zu China gehört hätte, als beide Länder von den Mongolen beherrscht wurden. Dazu sagen sie, daß das "rückständige" Tibet die
"brüderliche Unterstützung" der Chinesen braucht, und vergessen dabei, daß der Dalai Lama ja schon Reformen durchgeführt hat und weitere durchführen wollte. Tibet ist für die Chinesen
strategisch gesehen ein enorm wichtiges Gebiet, da es von dort die Nachbarländer Indien und die Sowjetunion bedrohen und beeinflussen kann. Tibet war zuvor immer Pufferstaat zwischen diesen drei
Ländern gewesen.
Bis heute setzt sich kein Land für Tibet ein, die USA, Deutschland und Indien erkennen die chinesischen Ansprüche auf Tibet an und unterstützen damit die Zerstörung der tibetischen
Kultur.
|